vbob Magazin 12/2024

Im Gespräch: Katarina Peranić, Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt Das Ehrenamt leidet unter Bürokratie Von der freiwilligen Feuerwehr bis zur Elternvertretung an der Schule: Staatliche Daseinsfürsorge ist ohne Ehrenamt praktisch unvorstellbar, oder? Ja, das gilt ganz besonders auf dem Land, wo die Daseinsvorsorge sehr viel enger mit der lokalen Zivilgesellschaft verschränkt ist als in der Stadt. Die freiwillige Feuerwehr ist ein klassisches Beispiel – ein ehrenamtliches Engagement zur Erfüllung einer Pflichtaufgabe kommunaler Daseinsvorsorge. Aber auch Mobilität, Gesundheit, Freizeitgestaltung, Sport und Bewegung sind Felder, in denen sich Bürgerinnen und Bürger engagieren und so auch für lebenswerte Gemeinden, Dörfer und Quartiere sorgen. Bürgerschaftlich Engagierte und Ehrenamtliche aber füllen nicht irgendwie nur die Lücken, die der Sozialstaat offen lässt. Sie gestalten das Miteinander vor Ort. Sie machen die Gesellschaft im Kleinen zu ihrer Angelegenheit und entwickeln dabei viele kreative Lösungen, die auch wieder auf die Strukturen der Daseinsvorsorge zurückwirken und zu deren Bedarfsgerechtigkeit und Krisenresilienz beitragen. Wenn ehrenamtliches Engagement diese enorme gesellschaftliche Bedeutung hat, wie kann es sinnvoll politisch gefördert werden? Zum einen wäre die Eigensinnigkeit bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts nicht als sperrige Renitenz, sondern als Chance zu verstehen – für neue, kreative Lösungen, für tätige Mitgestaltung und praktische Teilhabe. Ziel der Engagementförderung sollte es sein, diese Chancen zu nutzen und die Bürgerinnen und Bürger in ihren Vereinen und Initiativen dabei zu unterstützen, kreative Lösungen für konkrete Probleme zu entwickeln, denen sie im Alltag begegnen, den gesellschaftlichen Wandel so vor Ort aktiv mitzugestalten und dabei Mitmachmöglichkeiten für alle zu eröffnen. Zum anderen wäre es wichtig, Engagement und Ehrenamt nicht unnötig zu erschweren: Die bürokratische Belastung des Ehrenamts etwa ist enorm – 42 Tage im Jahr verbringen Engagierte eines mittelgroßen Vereins damit, bürokratischen Anforderungen gerecht zu werden. Das ist deutlich zu viel! Und auch die Bürokratie, die unbedingt notwendig ist, sollte überdacht werden. Im Beteiligungsprozess zur neuen Engagementstrategie des Bundes wünschten sich Engagierte eine wertschätzende, lösungsorientierte Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung. Leider berichten sie viel zu oft vom genauen Gegenteil: Überheblichkeit und Geht-nicht-Mentalität. Das muss sich ändern! Und schließlich wären auch Anreize für das Engagement von Unternehmen sinnvoll. Bei der Eingangsfrage, ob Daseinsvorsorge ohne Ehrenamt eigentlich denkbar wäre, wurde ja schon deutlich, dass der Staat allein es nicht wird richten können. Die Gestaltung lebenswerter Gemeinden, Dörfer und Städte ist eine Gemeinschaftsaufgabe, aus der sich die Wirtschaft nicht raushalten sollte. Was können (staatliche) Arbeitgebende tun, um ehrenamtliches Engagement ihrer Beschäftigten zu fördern? Welche erfolgreichen Beispiele aus der Praxis gibt es? Auch hier wäre zunächst das Verständnis für den Wert bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts zu nennen. Für Unternehmen wie auch Verwaltungen sind die Mitarbeitenden ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Faktor. Ihnen die Möglichkeit zu bieten, im eigenen Lebensumfeld aktiv zu werden, fördert ihre Zufriedenheit und die Bindung an den Standort. Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt bergen aber auch noch weitere Potenziale: zum Beispiel Lern- und Entwicklungschancen im Bereich der sogenannten Soft Skills – Kompetenzen, die heute wichtiger sind denn je, vor allem im Alltag von Führungskräften. Es gibt hier viele Möglichkeiten: von der finanziellen Unterstützung lokaler Vereine, die die Gelegenheiten für das bürgerschaftliche Engagement bieten, und der Bereitstellung von Räumlichkeiten und Equipment bis zu umfangreichen Corporate- Volunteering-Programmen, Pro-bono-Dienstleistungen und Policys zur Freistellung für Engagierte, die über gesetzlich geregelte Ansprüche hinaus Möglichkeitsräume eröffnen. Dass auch die Information von Mitarbeitenden zu den Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts sehr sinnvoll ist, zeigen Gespräche mit Akteuren aus der öffentlichen Verwaltung regelmäßig: Einerseits bereiten die Prognosen zum Fachkräftemangel einige Sorgen, andererseits werden die Chancen, die mit dem Engagement der neuen Unruheständler einhergehen, durchaus gesehen – noch nicht überall und nicht von jedem, aber dafür gibt es ja auch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die hierzu gern informiert. _ Katarina Peranić ist Mitglied im Gründungsvorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE). Sie ist diplomierte Politikwissenschaftlerin und zertifizierte Stiftungsmanagerin und setzt sich insbesondere für sozial-digitale Innovationen und Wissenstransfer im Ehrenamt ein. © Benjamin Jenak DOSSIER EHRENAMT 42 FOKUS vbob Magazin | dbb seiten | Dezember 2024

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