dazu viel Aufklärungsarbeit nötig: sowohl in den Kommunen, die Genossenschaften häufig noch nicht in ausreichendem Maße als Partner bei der Bewältigung der Daseinsvorsorge begreifen, als auch in den ländlichen Gemeinschaften. Wie es funktionieren kann, zeigt sich in Thüringen. Dort haben sich vornehmlich Energiegenossenschaften gegründet, was hauptsächlich daran liegt, dass eine vom Land ins Leben gerufene Energieagentur den Gründern unter die Arme greift. Kooperation statt Überforderung Unterstützung, Beratung, eine helfende statt fordernde oder gar übergriffige Verwaltung, das ist es, was sich viele Ehrenamtliche wünschen. Wo staatliches Handeln mit seinen starren Vorgaben auf oft auch unkonventionelles Engagement trifft, muss es zu Konflikten kommen. Wenn aber beispielsweise selbstorganisierten Kitas auf dem Land dieselben Standards auferlegt werden wie staatlichen Einrichtungen, dann wird ihnen etwas abverlangt, was sie nicht leisten können. Was als Professionalisierung daherkommt, entzieht bestehenden Initiativen teilweise die Existenzgrundlage. Der Mehraufwand an fachlicher Ausbildung, die Bewältigung komplexer Rechtsvorschriften, die Erfüllung immer neuer Rechenschaftspflichten und Dokumentationserfordernisse, die bei Nichteinhaltung gefährliche Haftungsprobleme nach sich ziehen können, ersticken so im Keim, was doch eigentlich gewünscht ist: dass sich immer mehr Menschen aktiv für Zusammenhalt und die Gestaltung ihres Gemeinwesens einsetzen. „Zufrieden sind die befragten Bürger*innen ausschließlich mit der Unterstützung durch den Verein oder die Institution, in der sie sich engagieren“, ergab 2021 eine Studie zu bürgerschaftlichem Engagement im Ruhrgebiet. Das ist zu wenig. Was braucht es stattdessen? Kurz gesagt: Abbau von bürokratischen Hindernissen, Ansprechpartner in Politik und Verwaltung, partizipative Einbeziehung, Kooperation ohne Vereinnahmung. Gerade kleine Kommunen, in denen die Herausforderungen zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge am größten sind, werden auf diese Wünsche eingehen müssen. Dazu sollten nicht nur überkommene Aufteilungen von Gestaltungsmacht hinterfragt, Handlungsspielräume neu ausgehandelt und das Verhältnis zwischen Unterstützung und Lenkung auf den Prüfstand gestellt werden. Die kommunale Ebene braucht auch eine finanzielle Ausstattung, die es ihr erlaubt, ausreichendes und entsprechend qualifiziertes Personal einzustellen, das sich der Zusammenarbeit mit den Freiwilligen widmet und diese koordiniert. Dafür sind Strukturfördermittel nach Bedarf und nicht nach Einwohnerzahl erforderlich. Die Zivilgesellschaft wiederum benötigt eine Umorientierung der staatlichen Förderstrategien: weg von der Initiierung von Projekten (deren Vorgaben ehrenamtliche Initiativen tendenziell überfordern), hin zu Prozessen, die darauf ausgelegt sind, selbstverständlich zu werden. Das entlastet Verwaltung und bürgerschaftliches Engagement. Die Bundesengagementstrategie Die Rahmenbedingungen für das bürgerschaftliche Engagement zu verbessern und die Zivilgesellschaft umfassender zu unterstützen, ist auch Ziel der Bundesengagementstrategie, die derzeit im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorbereitet wird. In einem einjährigen Beteiligungsprozess hatte die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt dafür Vorschläge aus der Zivilgesellschaft gesammelt. Das Spannungsfeld zwischen Ehrenamt und staatlicher Daseinsvorsorge wurde nicht dezidiert abgefragt, das Bündnis für Gemeinnützigkeit äußerte in dem Verfahren jedoch unter anderem den Wunsch, die Engagementförderung selbst als Pflichtaufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge festzuschreiben. Eine Bundesfinanzierung dazu ließe sich in einem „Engagementfördergesetz“ regeln. Auf ein solches Gesetz, in dem außerdem „staatlich geförderte wie auch gesetzlich verbriefte Regelaufgaben“ niedergelegt werden könnten, hofft ebenfalls Ansgar Klein, der Geschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement. Ob diese Vorschläge Eingang in die Engagementstrategie fin- den, lässt sich noch nicht sagen. Vorgestellt werden soll sie zum Engagementtag am 4. Dezember – sofern die notwendige Abstimmung mit anderen Ressorts sowie der für das vierte Quartal vorgesehene Kabinettsbeschluss nicht durch das Ampel-Aus gestoppt wurden. So oder so: Die Debatte wird weitergehen. Denn bürgerschaftliches Engagement treibt gesellschaftliche Entwicklung voran. Andrea Böltken Model Foto: Colourbox.de Model Foto: Dmitrii Shironosov/Colourbox.de 26 FOKUS vbob Magazin | dbb seiten | Dezember 2024
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