HOCHSCHULEN Wissenschaftsstandort Deutschland Spitzenforschung duldet keine prekären Jobs Deutschland gilt international als bedeutender Wissenschafts- und Forschungsstandort. Seine Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Wissenschaftlerinnen, Forschern und Beschäftigten im Hochschulbereich. Deren Beschäftigungsbedingungen sind derzeit durch Unsicherheit, prekäre Arbeitsverhältnisse und mangelnde Attraktivität geprägt. Angesichts grundlegender Transformationsprozesse besteht dringender Handlungsbedarf, um den Wissenschaftsstandort Deutschland zu erhalten und dessen Attraktivität zu verbessern. Beinahe alle akademischen Beschäftigten unterhalb der Professur sind von befristeten Arbeitsverträgen betroffen. Diese damit verbundene Unsicherheit beeinträchtigt nicht nur den Aufbau der wissenschaftlichen Karrieren, sondern auch das persönliche Leben der Forschenden. „Befristete Arbeitsverträge führen für die Betroffenen zu einer unklaren Lebensplanung, sie erschweren den Zugang zu Krediten, verhindern langfristige Verbindlichkeiten, verzögern die Familiengründung und hindern die Kolleginnen und Kollegen daran, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, weil sie Angst haben, dass ihre Verträge nicht verlängert werden“, kritisiert Prof. Dr. Thorsten Köhler, Bundesvorsitzender des Verbandes Hochschule und Wissenschaft (vhw). Auch die Besoldung der Professorinnen und Professoren erweist sich als problematisch. Dabei hatte die Reform der Professorenbesoldung, deren Umsetzung bis 2005 erfolgt ist, das Ziel, Leistung zu fördern und zu honorieren. In der Praxis weisen die Besoldungssysteme jedoch mit fehlenden Stufenaufstiegen und der Problematik nicht ruhegehaltsfähiger Leistungsbezüge deutliche Defizite auf: „Diese zusätzlichen Bezüge sind oft befristet, intransparent und variieren erheblich von Hochschule zu Hochschule“, sagt Köhler. Es bestehe zudem die Gefahr von Interessenkonflikten, weil die Entscheidung über die Vergabe von Leistungsbezügen in der Regel Funktionsträgerinnen und -trägern obliege, deren Funktionszulagen aus demselben gedeckelten Vergaberahmen stammen wie die Leistungsbezüge. „Die Abhängigkeit von Drittmitteln und befristeten Leistungszulagen führt zu Unsicherheit und ungleicher Behandlung, was dem Anspruch auf leistungsgerechte Bezahlung widerspricht. Zudem wurde mehrfach höchstrichterlich entschieden, dass die Professorenbesoldung nicht dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation entspricht. Deshalb müssen die Leistungsbezüge für alle zugänglich und so gestaltet sein, dass sich ein klar definierter und damit einklagbarer Rechtsanspruch auf die Gewährung von Leistungsbezügen ergibt“, fordert Köhler. Die aktuellen Rahmenbedingungen in der Wissenschaft gefährden das Potenzial des Wissenschaftsstandorts Deutschland – nicht zuletzt, weil Wissenschaft und Innovation angesichts der zahlreichen Transformationsprozesse wichtiger denn je für die internationale Konkurrenzfähigkeit Deutschlands sind. Die fortschreitende digitale und ökologische Transformation bringe weitreichende Auswirkungen auf Gesellschaft, Staat und Wirtschaft mit sich, ist Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes (DPhV) und Vorsitzende der dbb Fachkommission Schule, Bildung und Wissenschaft, überzeugt. Bisherige Geschäftsmodelle, Produktionsprozesse und Standorte geraten zunehmend unter Druck. Schlüsselindustrien wie die Automobilbranche, die wesentlich für den Wohlstand Deutschlands verantwortlich sind, stehen vor einem grundlegenden Wandel. LinKlitzing: „Unser Wohlstand liegt nicht in Bodenschätzen. Er steckt in der Innovationsfähigkeit unserer Ingenieure und Ingenieurinnen, in gut ausgebildeten Medizinern und Medizinerinnen und in Forschenden aller relevanten Wissenschaftsbereiche. Damit wir weiterhin auf gute Forschung und Lehre bauen können, brauchen wir im Kampf um die besten Köpfe exzellente Arbeits- und Rahmenbedingungen für die Lehre. Die veränderte geopolitische Lage verschärft diese Situation abermals und stellt veränderte Anforderungen an Deutschlands Stellung in der Welt“. Die Herausforderungen erforderten innovative Lösungen und wissenschaftliche Exzellenz. „Exzellente Forschung gelingt nur mit exzellenten Beschäftigungsbedingungen für alle Hochschulbeschäftigten.“ Der dbb fordert von der Politik deshalb nicht nur eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen, sondern auch die zügige Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sowie eine angemessene Besoldung der Professoren und Professorinnen, die der Bedeutung ihres Berufsfeldes gerecht wird – Prioritäten, die unabhängig von aktuellen politischen Unwägbarkeiten gesetzt werden müssen. os Model Foto: Colourbox.de AKTUELL 19 vbob Magazin | dbb seiten | Dezember 2024
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