TARIFPOLITIK Beschäftigte von Bund und Kommunen Eine antiquierte Arbeitswelt passt nicht zu modernen Lebensentwürfen Außer Einkommensforderungen steht die Arbeitszeit der Kolleginnen und Kollegen bei Bund und Kommunen im Fokus der Einkommensrunde 2025. dbb Tarifchef Volker Geyer erklärt, warum das Thema bewegt. Im Forderungspapier an die Arbeitgeber von Bund und Kommunen, das mit der Einkommensforderung am 9. Oktober 2024 vorgelegt worden ist, haben die Gewerkschaften dem Thema Arbeitszeit viel Raum gegeben. „Die Vorgeschichte dazu ist länger, als man meinen könnte“, sagt Geyer. Fachgewerkschaften und Gremien haben das Thema schon vor der Coronapandemie intensiv und facettenreich diskutiert. In besonders belasteten Teilbereichen des öffentlichen Dienstes seien bereits erste Arbeitszeitaspekte verhandelt und tarifiert worden. „Corona und Inflation haben das Thema dann zwischenzeitlich in den Hintergrund gedrängt, weil die explodierenden Verbraucherpreise uns alle zu einer anderen Prioritätensetzung gezwungen haben. Aber das Thema war nie wirklich verschwunden und zum Beispiel auf unseren Regionalkonferenzen zur Vorbereitung der Einkommensrunde dann wieder ein viel diskutierter Aspekt.“ Grundsätzlich steht für den dbb die lineare Forderung im Zentrum der Einkommensrunde. Die vielfältige Diskussion über Arbeitszeit, die aus der Vielfalt der Berufsbilder der im dbb organisierten Gewerkschaften resultiert, hat gezeigt, wie unterschiedliche Berufsrealitäten zu unterschiedlichen Arbeitszeitwünschen führen. „Verbindendes Element war der Wunsch, flexibler und selbstbestimmter arbeiten zu können. Pflege, Erziehung und Freizeit leichter in Einklang mit dem Beruf zu bringen, war ein wichtiger Punkt. Aber es ging auch vielfach um Entlastung. Das haben die älteren Kolleginnen und Kollegen vorgebracht, aber nicht nur die. Es gibt im öffentlichen Dienst viele Berufe mit starker psychischer und physischer Belastung. Hier ist das Stichwort Entlastung von essenzieller Bedeutung.“ Neben dem Entlastungsaspekt sollen aber auch die Attraktivität und die Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes gesteigert werden, „und da sind die Rahmenbedingungen von Arbeit entscheidend, um qualifizierte Nachwuchskräfte für die Berufe des öffentlichen Dienstes zu begeistern“, erläutert der dbb Vize, der sich sicher ist, dass viele der rund 570 000 offenen Stellen, für die sich derzeit keine Bewerberinnen und Bewerber finden, besetzt werden können, wenn die Arbeitszeitformate attraktiver sind. Dass Politik und der Wirtschaft stattdessen lieber Bilder aus den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts beschwören, die die Lebensrealität der Menschen heute einfach nicht mehr betreffen, gefällt Geyer überhaupt nicht: „Einfach nur zu fordern, die Leute sollen die Ärmel hochkrempeln und zum Beispiel weniger in Teilzeit gehen, greift viel zu kurz. Die Menschen haben heute ein anderes Leben zu organisieren als zu Zeiten, in denen die Hausfrau und der berufstätige Mann noch die Norm waren.“ Wenn sich die Lebensrealität der Kolleginnen und Kollegen verändert, müsse sich das auch in der Arbeitswelt widerspiegeln. „Die Lebensentwürfe werden diverser. Wir haben mehr Patchworkfamilien, mehr Alleinerziehende und mehr Menschen, die neben ihrem Job mit Care-Arbeit, etwa der Pflege von Angehörigen, belastet sind. Viele von ihnen engagieren sich neben ihrem anstrengenden Tagesgeschäft in ihrer Gewerkschaft, um für modernere Arbeitswelten im öffentlichen Dienst einzutreten.“ Deswegen passt es für Geyer auch in die Zeit, in einer der großen Einkommensrunden einen Mitgliederbonus, konkret einen zusätzlichen Urlaubstag für Gewerkschaftsmitglieder, zu fordern. Immerhin seien es die Mitglieder, die mit ihren finanziellen Beiträgen und mit ihrer Aktionsbereitschaft dafür sorgen, „dass wir in der Lage sind, tarifautonom Verhandlungen zu führen. Zur gleichen Zeit bekommen die vielen Trittbrettfahrer, die sich an nichts beteiligen, die erzielten Abschlüsse jeweils auch gutgeschrieben. Das sorgt bei den Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort fleißig ehrenamtlich tätig sind, für spürbaren Frust.“ _ © Campaign Creators/Unsplash.com AKTUELL 15 vbob Magazin | dbb seiten | Dezember 2024
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