GEWERKSCHAFT BUNDESBESCHÄFTIGTE MAGAZIN mit dbb seiten 4 April 2025 • 75. Jahrgang Tarifrunde 2025 Wie geht’s weiter?
< Editorial seite auch auf Ebene der Bundesverwaltung den Druck auf die aus unserer Sicht notwendigen Maßnahmen und Schritte zu verdeutlichen. Dies bedeutet im Rahmen der Tarifrunde, die unbefristete Übernahme für unsere Auszubildenden durchzusetzen. Wenn bereits heute 570 000 Beschäftigte fehlen und 2030 gar 1,3 Millionen, wie kann ich dann 2025 ernsthaft ablehnen, meine eigenen Auszubildenden im Anschluss an ihre erfolgreiche Ausbildung fest einzustellen? Wie kann ich denn ignorieren, dass auch Beschäftigte der Bundesverwaltung so auskömmlich vergütet werden müssen, dass sie sich dienstortnah Wohnraum leisten können? In dieser Verhandlungsrunde sind einige Dinge in den seitens der Arbeitgeberseite vorgetragenen Sichtweisen deutlich geworden, die nicht mehr nur mit den üblichen „Kasse leer“-Sprüchen zu erklären sind. Offensichtlich ist den Arbeitgebern in Gänze nicht klar, in welcher prekären Situation sich der öffentliche Dienst befindet und wie wenig Reaktionszeit uns noch bleibt, um entgegenzusteuern. Der vbob hat seine Mitglieder aufgerufen, sich an den Warnstreiks und Kundgebungen zu beteiligen. Im Leitartikel finden Sie hierzu eine umfangreiche Dokumentation. Ich bedanke mich bei allen, die aktiv teilgenommen haben. Leider war die Beteiligung in Summe aller Aktionen noch schlechter als bei den letzten Tarifverhandlungen. Eine Ausnahme bilden hier die Kolleginnen und Kollegen des Kraftfahrt-Bundesamtes – herzlichen Dank euch! Die beschriebene niedrigere bundesweite Gesamtbeteiligung wird mit Blick auf das erreichbare Ergebnis bei den Tarifverhandlungen Konsequenzen haben. In Anbetracht der geringeren Teilnahme werden ein möglicher Schlichtervorschlag und ein eventueller Tarifabschluss unter Umständen deutlich unter den Erwartungen liegen können. Dann wird die Kritik daran wieder laut, die Frage gestellt, warum da nicht mehr drin war und warum man da zugestimmt habe. Eine Antwort darauf ist bereits heute absehbar: die fehlende Aktionsbereitschaft der Mitglieder. In diesem Magazin werden wir wieder auf Ehrungen von Mitgliedern hinweisen können. Wenn Sie geehrt wurden und sich nicht im Magazin wiederfinden, so liegt das daran, dass Sie die der Urkunde beigefügte Einverständniserklärung zur Veröffentlichung nicht zurückgeschickt oder der Veröffentlichung widersprochen haben. Alle, die zugestimmt haben, werden künftig im Magazin wieder veröffentlicht. Der Bundeshauptvorstand wird sich in seiner Sitzung Anfang April auch mit der Befragung zum Mitgliedermagazin beschäftigen. Näheres dazu in einer der nächsten Ausgaben. Bitte sprechen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin an und fragen Sie, ob Interesse an einer Mitgliedschaft und Mitarbeit in unserer Solidargemeinschaft besteht. Nähe ist unsere Stärke! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, eine Geduldsprobe ist auch dieses Mal die Tarifverhandlung für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen. Nach der inzwischen dritten Verhandlungsrunde in Potsdam stehen ein paar Dinge fest: dass die Arbeitgeberseite erst in der dritten Verhandlungsrunde samstags ein Angebot vorgelegt hat, um montags trotz eines weiteren Verhandlungsangebotes der Gewerkschaften bereits das Scheitern der Verhandlungen erklärt. Die Äußerungen der Verhandlungsführerinnen vor den Fernsehkameras während der Verhandlungen in Potsdam setzen dem Ganzen noch einen drauf. Sie seien zuversichtlich, guter Hoffnung, sähen das Ziel vor Augen. Gemeint war wohl, dass die Erwartung im Raum stand, dass die Gewerkschaften klein beigeben würden. Den Vorwurf, dass die Gewerkschaften mit dem Ritualisieren dieser Tarifrunden aufhören mögen, den möchte ich an dieser Stelle gerne den Arbeitgebervertreterinnen zurückgeben. Wer vor den Kameras und in den Medien stets betont, wie sehr er oder sie die Arbeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wertschätzt, der darf sich so nicht verhalten, wenn es um die Frage der Zukunftsfestigkeit der Beschäftigungsbedingungen – wozu auch die Vergütung gehört – geht. Die Folgen der Missachtung der Entwicklung hinsichtlich unbesetzter Stellen, des demografischen Wandels, Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels durch die Arbeitgeberseite werden viele Kolleginnen und Kollegen mit Mehrbelastung und Überlastung spüren. Einen erfolgreichen Wettbewerb um Nachwuchs gestalten, das kann man für den öffentlichen Dienst, kann man für die Bundesverwaltung nicht mit Stelleneinsparungen, wie die Koalitionäre sie sich vorstellen, nicht mit Arbeitszeitverlängerungen – egal ob Verlängerung der Lebensarbeitszeit oder Wochenarbeitszeit – erreichen. Insofern stehen wir als Gewerkschaft Bundesbeschäftigte und Mitgliedsgewerkschaft im dbb beamtenbund und tarifunion in der Verantwortung, der Arbeitgeber- © Reimo Schaaf Frank Gehlen Bundesvorsitzender 3 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | April 2025
< dbb <Tarifstreit geht in die Schlichtung: „So viel Verweigerung war nie“ 13 <Warnstreiks und Proteste: Starke Auftritte für den öffentlichen Dienst 14 <Gewalttaten gegen Polizeikräfte: Erschreckend hohe Fallzahlen 17 <dbb talk: „Man macht sich schon gar nicht mehr bewusst, wie oft man bedroht wird …“ 18 <Netzwerk sicher im Dienst: „Machen Sie das Thema zum Thema!“ 22 <Gesetzliche Unfallversicherung: Gewalt bei der Arbeit bleibt ein Problem 24 <Gewalt gegen Beschäftigte: Initiativen für mehr Sicherheit 26 <Prof. Dr. Jonas Rees, Universität Bielefeld: Härtere Strafen für Gewalttäter reichen nicht 28 <Unterwegs mit dem Zoll am Hamburger Hafen: Wie sich Beamte gegen Schmuggler schützen 30 <Hauptversammlung der dbb bundesseniorenvertretung: Gegen Ageismus, für gutes Altern 36 <Neuordnung der Ausbildung der Justizfachangestellten: Modern und zukunftsfähig für einen starken öffentlichen Dienst 44 < Impressum Herausgeber des vbob Magazins: Bundesvorstand vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte. Dreizehnmorgenweg 36, 53175 Bonn. Telefon: 0228.9579653. Telefax: 0228.9579654. E-Mail: vbob@ vbob.de. Internet: www.vbob.de. Hauptstadtbüro Berlin. Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.40816900. Telefax: 030.40816930. E-Mail: vbob.berlin@dbb.de. Bundesvorsitzender: Frank Gehlen. Redaktion: Anne-Katrin Hoffmann, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.40816900. Telefax: 030.40816930. Titelfoto: © Raake. Herausgeber der dbb Seiten: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion – Bund der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und des privaten Dienstleistungssektors – Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5598. Internet: www.dbb.de. Leitender Redakteur: Jan Brenner (br). Bezugsbedingungen: Das vbob Magazin erscheint zehnmal im Jahr und wird allen vbob Mitgliedern im Rahmen der Mitgliedschaft gegen Beitrag geliefert. Nichtmitglieder bestellen in Textform beim DBB Verlag. Inlandsbezugspreis: Jahresabonnement 52,50 Euro zzgl. 9,30 Euro Versandkosten, inkl. MwSt.; Mindestlaufzeit 1 Jahr. Einzelheft 6,00 Euro zzgl. 2,00 Euro Versandkosten, inkl. MwSt. Abonnementkündigungen müssen bis zum 1. Dezember in Textform beim DBB Verlag eingegangen sein, ansonsten verlängert sich der Bezug um ein weiteres Kalenderjahr. Verlag: DBB Verlag GmbH. Internet: www.dbbverlag.de. E-Mail: kontakt@dbbverlag.de. Verlagsort und Bestellanschrift: Friedrichstraße 165, 10117 Berlin. Telefon: 030.7261917-0. Telefax: 030.7261917-40. Layout: Dominik Allartz. Anzeigen: DBB Verlag GmbH, Mediacenter, Dechenstraße 15 a, 40878 Ratingen. Telefon: 02102.74023-0. E-Mail: mediacenter@dbbverlag.de. Anzeigenleitung: Marion Clausen, Telefon: 030.7261917-32, E-Mail: marion.clausen@dbbverlag.de. Anzeigendisposition: Britta Urbanski, Telefon: 02102.74023-712. Preisliste 66 (dbb magazin) und Preisliste 45 (vbob Magazin), gültig ab 1.1.2025. Druckauflage dbb magazin: 550662 (IVW 4/2024). Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinen. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608 Geldern. ISSN 1437-997X <Tarifverhandlung 2025: Was bisher geschah – wie geht es weiter? 4 <Kommentierte Pressestimmen 8 <Fachgruppe BMWK: Waffeln für alle 10 <Markt der Möglichkeiten 10 <Jubilare: Wir gratulieren .. 12 <Klausursitzung der AG Datenschutz: Arbeitsintensive Sitzung 12 < Inhalt Tarifverhandlung 2025 Was bisher geschah – wie geht es weiter? Der vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte hat sich zwischen zweiter und dritter Verhandlungsrunde an zwei eigenen sowie mehreren größeren und kleineren dbb Warnstreiks und Demonstrationen beteiligt. Herausragend war dabei erneut die Fachgruppe Kraftfahrt-Bundesamt mit einer sehr hohen Beteiligung an mehreren Kundgebungen. Das Presseecho war dabei sehr gut und der vbob konnte seine Anliegen gut darstellen. Die Anzahl der Teilnehmenden bei den Kundgebungen aus den Reihen des vbob war insgesamt betrachtet dennoch verbesserungsfähig. < Den Arbeitgebern ist die Belastung ihrer Beschäftigten egal „Wir stehen heute hier mit über 1 000 Beschäftigten und kämpfen für eine faire Bezahlung und einen funktionstüchtigen öffentlichen Dienst“, betonte dbb Vize Andreas Hemsing am 25. Februar 2025 auf einer Kundgebung in der Bundesstadt. Für das Argument der Arbeitgeber, dass die Kassen leer seien und die Forderungen die Kommunen zu stark belasten, habe er wenig Verständnis. „Den Spruch über die leeren Kassen kennen wir – den hören wir in jeder Tarifrunde. Aber dass sich die Arbeitgebenden nur um die Belastung der Kommunen sorgen, zeigt, dass ihnen die Belastungen ihrer Beschäftigten wohl egal sind.“ < Berlin am 3. März 2025 Bei strahlendem Sonnenschein trafen sich am 3. März 2025 viele Mitglieder des vbob Ge- < Am 3. März 2025 in Berlin 4 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | April 2025
werkschaft Bundesbeschäftigte aus mehr als 15 Behörden und Ministerien der Bundesverwaltung vor dem Gebäude der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin, um für ein gerechtes und angemessenes Einkommen die Arbeit niederzulegen und zu demonstrieren. Für die Veranstaltung konnte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Verhandlungsführer des dbb beamtenbund und tarifunion, Volker Geyer, gewonnen werden. Nach Begrüßung der Kolleginnen und Kollegen durch den stellvertretenden vbob Bundesvorsitzenden Ludwig Hofmann teilte Volker Geyer in seiner anfeuernden und klaren Rede mit, dass ein Entgegenkommen der Arbeitgeber zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgt und ein vernünftiges Angebot, wenigstens als Gesprächsgrundlage, bisher ausgeblieben ist. Lediglich mitzuteilen, dass die Laufzeit 36 Monate betragen solle, stellt klar, dass eine Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst und deren Leistung nicht erfolgt. < Flensburg am 4. März Am 4. März 2025 fand ein erster Streik von Mitgliedern des vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte im Rahmen der Einkommensrunde 2025 für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen statt. Ziel der Arbeitskampfmaßnahme war das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg. Während der Arbeitsniederlegung fand ein Demonstrationszug durch Flensburg mit anschließender Kundgebung am Südermarkt statt. Unterstützt wurde die vbob Fachgruppe Kraftfahrt-Bundesamt durch den stellv. vbob Bundesvorsitzenden und Mitglied der dbb Verhandlungskommission, Ludwig Hofmann, und einige Kolleginnen und Kollegen der Fachgruppe Technisches Hilfswerk sowie des Verbandes der Arbeitnehmer der Bundeswehr (VAB). Die vbob Fachgruppe Kraftfahrt-Bundesamt war mit etwa 150 Mitgliedern sehr stark und in allen Dingen hervorragend organisiert vertreten. Der Vorstand der Fachgruppe hat dafür in den Wochen und Tagen vor dem Streik und der Demonstration sehr viel geleistet und auch am Streiktag mit einem kleinen Lunchpaket für gute Stimmung gesorgt. < Am 25. Februar 2025 in Bonn © vbob (5) © Jan Brenner (3) < Am 4. März 2025 in Flensburg © Raake 5 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | April 2025
< Faire Löhne statt leerer Versprechen Das war einhellige Auffassung der Rednerinnen und Redner aus Anlass des Warnstreiks des dbb am 10. März in Berlin. Gemeinsam demonstrierten die rund 1 000 Mitglieder der Mitgliedsgewerkschaften des dbb bei blauem Himmel für angemessene Beschäftigungsbedingungen in der Bundesverwaltung. Dazu gehört auch eine wettbewerbsfähige Vergütung, und so riefen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ihrem Weg vom dbb forum durch das Stadtzentrum zum Bundesinnenministerium auch regelmäßig „8 Prozent“ als Zeichen für die Umsetzung der gewerkschaftlichen Kernforderung bei den diesjährigen Tarifverhandlungen. Im Hinblick auf Rekord-Steuereinnahmen, die in Bund und Ländern mittlerweile auf eine Billion Euro pro Jahr gestiegen sind, sagte Geyer auf der Abschlusskundgebung vor dem Bundesministerium des Innern: „Es sind die Kolleginnen und Kollegen in vielen Sparten des öffentlichen Dienstes, die diese Einnahmen überhaupt erst möglich machen. Belohnt werden sie dafür mit Personalmangel, Arbeitsverdichtung und Arbeitsbedingungen von gestern. Das lassen wir uns nicht länger bieten.“ Zu weiteren Kundgebungen rief der dbb am 6. März in Kiel, 11. März 2025 in Koblenz und 13. März in Nürnberg auf. Um der Arbeitgeberseite eine klare Botschaft zu senden, sind die vbob Mitglieder aus Koblenz und Bonn, Kiel und Umgebung sowie Nürnberg dem Aufruf gefolgt. < Dritte Verhandlungsrunde in Potsdam Die dritte Verhandlungsrunde vom 14. bis 16. März 2025 im Rahmen der aktuellen Tarifverhandlungen sollte nun die wichtigste Runde darstellen, und mindestens der Bund und die Gewerkschaften waren an einem Abschluss in dieser Runde interessiert. Dennoch begannen die Verhandlungen erneut mit vielen unkonkreten Aussagen der VKA-Präsidentin Welge. Konkret wurden die Arbeitgeber nur mit der Ansage, dass es weder einen Kaufkraftausgleich noch einen Inflationsausgleich geben werde und die Zugeständnisse daher gering bleiben würden. Erst am zweiten Verhandlungstag dieser Runde und damit nach fünf Tagen Verhandlungen wurde ein – im Grunde unannehmbares – Angebot vorgelegt. Die Verhandlungen gestalteten sich insgesamt auch deshalb als sehr schwierig, weil die Kommunen offenbar noch unter dem letzten Tarifabschluss leiden. Auch die Laufzeitvereinbarung war für die Gewerkschaften schwierig, denn eine Kollision mit anderen Verhandlungen wie zum Beispiel mit den Ländern oder auch eine zeitliche Verschiebung in die Sommermonate sollte dringend vermieden werden. < Am 11. März 2025 in Koblenz © FG BArch < Am 10. März 2025 in Berlin © v©b oVbB (O4 B) < Am 6. März 2025 in Kiel © Anne Oschatz 6 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | April 2025
Zudem sollte eine Schlichtung oder vierte Verhandlungsrunde vermieden werden. Am dritten Tag hatten die Gewerkschaften ein nachgebessertes Angebot vorgelegt, das die Arbeitgeber rundweg ablehnten. Deren Gegenvorschlag, der unter anderem auch eine 42-Stunden-Woche enthalten hatte, konnte aber von den Gewerkschaften nicht angenommen werden. < Und wie jetzt weiter? Dieses Beispiel zeigt, wie schwierig und zäh sich die Verhandlungen gestalteten. Insbesondere eine gefühlte Handlungsunfähigkeit der VKA-Verhandlungsführerin verzögerte die Verhandlungen und folglich auch einen zeitnahen Abschluss. Das konnte auch ein Entgegenkommen aufseiten der Bundesinnenministerin Nancy Faeser für den Bereich des Bundes nicht ausgleichen. Letztlich scheiterten die Verhandlungen, und die Bundesinnenministerin hat die Schlichtung einberufen. Wichtig für die Gewerkschaften ist der Umstand, dass der Vorsitz turnusgerecht durch den Schlichter der Arbeitgeberseite gestellt wird. Dieser wurde durch die Arbeitgeber mit der Person Roland Koch bereits benannt. Ob das Ergebnis der Schlichtung dann angenommen werden kann oder die Beschäftigten nach einer Urabstimmung in den unbefristeten Streik treten, werden die Verhandlungen am 5. April 2025 in Potsdam zeigen. lh, FG KBA und BArch < Am 13. März 2025 in Nürnberg © Friedhelm Windmüller vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte
© Björn Wylezich/stock.adobe.com Kommentierte Pressestimmen Hohe psychische und physische Belastung: Beamte werden früher pensioniert, was zu einer steigenden finanziellen Belastung für den Staat führt. Auch die Streiks im öffentlichen Dienst führten zu einer Belastungsprobe. Eine dritte Verhandlungsrunde zwischen Bund und Kommunen und den Gewerkschaften ist gescheitert. Nun wird es eine Schlichtung geben. Was bedeutet das jetzt? Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen. < Was ist der aktuelle Stand in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst? Bund und Kommunen verhandeln aktuell mit der Gewerkschaft ver.di und dem dbb beamtenbund und tarifunion. Dabei geht es um Gehälter und Arbeitszeiten für Arbeitnehmende unter anderem in Kitas, dem Nahverkehr und Abfallbetrieben. Die dritte Verhandlungsrunde zwischen den Parteien ist gescheitert, es wurde keine Einigung erreicht und kein Tarifabschluss erzielt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte als Verhandlungsführerin des Bundes an, dass es eine Schlichtung geben solle. Die Schlichtungskommission für den Tarifstreit hat ihre Arbeit begonnen. Anfang April soll die Schlichtung abgeschlossen sein. < Was bedeutet die Schlichtung für die Tarifverhandlungen und die Streiks? Bei der Schlichtung verhandeln unabhängige Fachleute um eine Lösung im Tarifkonflikt. Die Seite der Arbeitgeber (Bund und Kommunen) hat den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) als Schlichter bestimmt, ver.di wählte den früheren Bremer Finanzstaatsrat HansHenning Lühr (SPD). Sie werden in den kommenden Wochen in einer Schlichtungskommission vertraulich an einem geheimen Ort mit beiden Seiten beraten. Binnen einer Woche wird die Kommission dann eine Empfehlung beschließen, die in einer weiteren Verhandlungsrunde besprochen wird. Das soll nach Angaben des Bundesinnenministeriums am 5. April in Potsdam stattfinden. Entweder die Runde nimmt das Ergebnis an oder sie verhandelt nach. Anschließend gibt es zwei Möglichkeiten: Wird die Empfehlung angenommen, gibt es einen Tarifabschluss. Ist das Ergebnis für eine Seite aber unannehmbar, kann eine Urabstimmung eingeleitet werden, bei der die Gewerkschaftsmitglieder anonym abstimmen, ob unbefristet gestreikt wird. Das passiert, wenn mindestens 75 Prozent sich dafür aussprechen. Ab dem Beginn der Schlichtung gibt es noch eine Besonderheit: Es gilt die sogenannte Friedenspflicht. Bis Ende der Verhandlungen sind keine weiteren Warnstreiks mehr zugelassen. < Was fordern ver.di und der dbb für den öffentlichen Dienst? Die Gewerkschaften verhandeln aktuell über die Gehälter und Arbeitszeiten für etwa 2,5 Millionen Arbeitnehmende. Sie sind unter anderem in Kliniken, Kitas, Flughäfen, Nahverkehr, Bädern, Pflegeeinrichtungen, Klärwerken und Abfallbetrieben angestellt. Der Großteil ist nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) beschäftigt. Dieser wird üblicherweise im Anschluss auf Beamtinnen, Richter und Soldatinnen übertragen. In den aktuellen Verhandlungen fordern ver.di und der dbb eine Tariferhöhung um 8 Prozent, mindestens aber 350 Euro im Monat mehr. Außerdem sollten Arbeitnehmende im öffentlichen Dienst drei zusätzliche freie Tage bekommen. Der Verhandlungsführer des dbb, Volker Geyer, begründete die Forderungen damit, dass der öffentliche Dienst flexiblere Arbeitszeitmodelle brauche, um auf dem Arbeitsmarkt mit der privaten Wirtschaft mithalten zu können. Die Gewerkschaften waren Bund und Kommunen nach eigener Aussage bei der Laufzeit des Tarifvertrags und den Prozentwerten entgegengekommen und hatten demnach auch andere Forderungen aufgegeben. Bund und Kommunen boten zuletzt eine Erhöhung der Entgelte um 5,5 Prozent an sowie ein höheres 13. Monatsgehalt und höhere Schichtzulagen. Als Angebot statt der zusätzlichen freien Tage brachten sie ein Wahlmodell ins Gespräch, bei dem Beschäftigte Teile der Jahressonderzahlung in freie Tage umwandeln könnten. Die Ursprungsforderungen der Gewerkschaften würden Mehrkosten in Höhe von 15 Milliarden Euro für zwei Jahre bedeuten, argumentieren die Arbeitgeber. „Das konnten wir nicht leisten“, sagte Karin Welge, Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Die Zeit, 20. März 2025 < Beamte gehen oft früher in Rente: Steuerzahler tragen die Last Immer mehr Beamte gehen vorzeitig in den Ruhestand – das belegen Daten des Statistischen Bundesamtes. Im Jahr 2023 gingen 80 Prozent der Beamten in Deutschland vor Erreichen der regulären Altersgrenze in Pension. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig, wie aus dem „Siebten Versorgungsbericht der Bundesregierung“ aus dem Jahr 2020 hervorgeht. Bereits vor fünf Jahren lag das Durchschnittsalter der Beamten, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in Pension gingen, bei 56,3 Jahren. Im öffentlichen Dienst lag der Wert auf Bundesebene bei 62,9 Jahren, bei den Ländern bei 62,5 Jahren und den Kommunen bei 62,9 Jahren. Faktoren sind damals wie heute häufig psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burn-outs. Durch den demografischen Wandel rücken immer weniger Fachkräfte in Beamtenberufe nach. Dadurch müssen die verbleibenden Mitarbeiter immer mehr Aufgaben übernehmen, 8 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | April 2025
erklärt Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes (dbb). Die Belastung sei durch den akuten Fachkräftemangel gestiegen. Im Jahr 2022 waren mehr als 25 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst mindestens 55 Jahre alt, wie aus einer Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung hervorgeht. Ausgewählte Beamtengruppen, wie etwa Polizisten, Feuerwehrleute oder Justizvollzugsbeamten, können zudem abschlagsfrei mit 62 oder 63 Jahren in den Ruhestand gehen – aufgrund der speziellen psychischen und physischen Belastungen, denen sie in diesen Berufen über die Jahre ausgesetzt waren. < Beamte sind teuer: Kosten für Pensionen lagen 2023 bei 63,4 Milliarden Euro Beamte, die vorzeitig in den Ruhestand gehen möchten, müssen pro Jahr eine Kürzung von 3,6 Prozent ihrer Pension in Kauf nehmen, wobei die maximale Minderung auf 10,8 Prozent begrenzt ist. Im Ruhestand erhalten Beamte durchschnittlich 65,5 Prozent ihrer letzten Besoldung als Pension. Zum Vergleich: Angestellte in der Privatwirtschaft beziehen durchschnittlich 48,2 Prozent ihres Einkommens als Rente. Laut der Deutschen Rentenversicherung arbeiten zudem fast 42 Prozent der Beschäftigten bis 66 Jahre – das durchschnittliche Renteneintrittsalter lag 2023 bei 64,4 Jahren. Für den Staat können Frührentner und Frühpensionäre teuer werden. Laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung belaufen sich die Pensionen sowie die Ausgaben für die Hinterbliebenenversorgung von Beamten 2023 auf 63,4 Milliarden Euro – was etwa 1,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandprodukts entsprach. Bis 2050, so die Prognose, könnte der Betrag auf rund 140 Milliarden Euro ansteigen. Andere Modelle sprechen bis 2040 von einer Belastung von 90,7 Milliarden Euro – sofern das System unverändert bleibt. < Liste der Kritiker lang: Wirtschaftsweise und Sozialverbände fordern Reformen bei der Rente Die Gründe für diese Entwicklung sind neben der Demografie und der längeren Lebenserwartung auch die steigenden Gehälter. Neu eintretende Beamte sollen künftig unter die gesetzliche Rentenversicherung fallen. Nur so könne man die öffentlichen Haushalte entlasten. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Sozialverband schlagen ein einheitliches System vor, in dem Beamte, Selbstständige und Politiker neben allen sonstigen Erwerbstätigen zusammengefasst sind. Während die Grünen ebenfalls eine Reform nach dem österreichischen Modell fordern, blieb die SPD in der Debatte eher zurückhaltend. < Merz für Bürokratieabbau und Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst – dbb Vize warnt vor „Neid“ CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte auf dem Deutschlandtag der Jungen Union im Januar angekündigt, den Beamtenapparat verschlanken zu wollen. Das beinhalte Bürokratieabbau wie auch einen gezielten Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst. Auch sollten Beamte, die früher in die Pension eintreten wollten, höhere Abschläge zahlen. Ansonsten sei das System für die nachfolgenden Generationen nicht mehr finanzierbar. Demgegenüber warnte der Deutsche Beamtenbund vor unsachlichen Diskussionen zum Thema frühzeitige Pensionseintritte – und vor einer unsagbaren „Neiddebatte“. Vielmehr forderte etwa der dbb Vize Waldemar Dombrowski gezielte Änderungen in der Struktur des Beamtenapparats: So könnten etwa Anreize wie Bonuszahlungen oder höhere Pensionsansprüche die Menschen dazu bewegen, länger zu arbeiten. Auch Investitionen in Technologien, wie etwa künstliche Intelligenz, könnten den Arbeitsalltag flexibler und effizienter gestalten. merkur-online.de, 26. Februar 2025 lb
Fachgruppe BMWK Waffeln für alle Am 4. Dezember 2024 in Berlin und am 11. Februar 2025 in Bonn organisierte die Fachgruppe eine besondere Aktion, um den Zusammenhalt unter den Kollegen zu stärken und für eine positive Arbeitsatmosphäre zu sorgen. Unter dem Motto „Waffeln für alle“ wurden in den Häusern frische Waffeln gebacken, die bei den Mitarbeitern großen Anklang fanden. Die Initiative wurde von engagierten Mitgliedern der Gewerkschaft ins Leben gerufen und ist mittlerweile eine kleine Tradition, die das Miteinander im Arbeitsumfeld fördern möchte. „Wir wollten etwas tun, das Freude bringt und gleichzeitig die Kolleg*innen zusammenbringt.“ Die Aktion zog zahlreiche Beschäftigte an, die sich bei einer Tasse Kinderpunsch oder Kaffee und einer Waffel austauschten und die Gelegenheit nutzten, um über aktuelle Themen und Anliegen zu diskutieren. Neben dem kulinarischen Genuss war die Veranstaltung auch eine Plattform, um über die Arbeit des vbob zu informieren. Flyer und Informationsmaterialien wurden verteilt, um die Kolleginnen und Kollegen über bevorstehende Aktionen und wichtige Themen hinzuweisen. Die Resonanz auf die Waffelaktion war durchweg positiv. Viele Beschäftigte äußerten sich begeistert über die Initiative und die Möglichkeit, sich in entspannter Atmosphäre auszutauschen. „Solche Aktionen stärken den Teamgeist und zeigen, dass wir als Gewerkschaft auch für das Wohlbefinden unserer Mitglieder da sind.“ FG BMWK Markt der Möglichkeiten Auf Einladung des Personalrates im BMWK und unter Beteiligung vieler Akteure, Netzwerke und Gremien fand am 27. Februar 2025 zum ersten Mal der „BMWK-Markt der Möglichkeiten“ statt. Für die Fachgruppe BMWK des vbob war dies eine gute Gelegenheit, mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen, über die laufenden Tarifverhandlungen zu diskutieren und für eine Mitgliedschaft im vbob zu werben. FG BMWK <Die Kolleginnen und Kollegen der Fachgruppe hatten sichtlich viel Spaß beim Waffelbacken. © FG BMWK (2) <Auch in Bonn kurz vor Nikolaus waren die FG-Mitglieder Pia Klein, Daniela Haak und Pascal Förster (von links) mit Spaß bei der Sache. < Constanze Goppold, Anne Salzmann und Pia Klein (von links) am InfoStand der vbob Fachgruppe © FG BMWK 10 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | April 2025
Jubilare Wir gratulieren … Nach einer längeren Pause aufgrund der DSGVO können wir nun endlich wieder unseren langjährigen Mitgliedern zu ihrem 25-jährigen, 40-jährigen, 50- und sogar 60-jährigen Jubiläum gratulieren. Denn wer damit einverstanden ist, kann ab sofort der Veröffentlichung aktiv zustimmen. Dies kann per E-Mail oder Zustimmungserklärung mitgeteilt werden. Die Fachgruppe „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ setzt sich seit über 60 Jahren engagiert für die Interessen der Beschäftigten ein – zunächst in der ehemaligen Bundesvermögensverwaltung und seit dem 1. Januar 2005 in der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Dieses langjährige Engagement wäre ohne die Treue unserer Mitglieder nicht möglich. Viele von ihnen begleiten uns seit Jahrzehnten, wofür wir sehr dankbar sind. Besonders freuen wir uns, regelmäßig Urkunden für 50- und sogar 60-jährige Mitgliedschaften überreichen zu dürfen. Ein Beispiel für diese außergewöhnliche Verbundenheit ist der Kollege Gerhard Schmitt aus Kassel, der uns seit 50 Jahren die Treue hält. Neben seiner beruflichen Tätigkeit hat er sich auch im Personalrat und als ehrenamtlicher Richter engagiert. Sein Einsatz steht stellvertretend für die vielen Mitglieder, die mit ihrem langjährigen Engagement unsere Fachgruppe stärken. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank! < Klausursitzung der AG Datenschutz Arbeitsintensive Sitzung Am 21. und 22. März 2025 fand die Klausursitzung der vbob AG Datenschutz in den Besprechungsräumen der vbob Bundesgeschäftsstelle in Bonn statt. Neben den Mitgliedern der AG Datenschutz, Werner Langer, Dirk Rörig, Peter Lapczynski und Lothar Hermes, nahmen am ersten Tag auch der Bundesvorsitzende Frank Gehlen und – für das Thema Mitgliederverwaltung – Beatrix Rörig und Gabriele Ruppert teil. Nach der Begrüßung durch Frank Gehlen wurde eine umfangreiche Tagesordnung bis in den späten Abend bearbeitet. Am zweiten Tag ging es für den Datenschutz-Trupp mit der umfangreichen Tagesordnung weiter und dann ins wohlverdiente Wochenende. <Die AG Datenschutz des vbob © VBOB 25-jährige Mitgliedschaft > Martina Bechmann Fachgruppe Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft > Silke Riede Fachgruppe Bundesanstalt für Immobilienaufgaben > Gisela Liptow Fachgruppe Bundesanstalt für Immobilienaufgaben > Uwe Kiparski Fachgruppe Bundesanstalt für Immobilienaufgaben 40-jährige Mitgliedschaft > Bodo Lange Fachgruppe Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 50-jährige Mitgliedschaft > Eberhard Neurath Fachgruppe Bundesanstalt für Immobilienaufgaben > Wera Buhr Fachgruppe Bundesanstalt für Immobilienaufgaben > Gerhard Schmitt Fachgruppe Bundesanstalt für Immobilienaufgaben >Herbert Niebuhr Fachgruppe für Wirtschaft und Klimaschutz 60-jährige Mitgliedschaft > Wolfgang Breuer Fachgruppe Bundesministerium der Finanzen © neirfy/colnihko - stock.adobe.com 12 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | April 2025
EINKOMMENSPOLITIK Tarifstreit geht in die Schlichtung „So viel Verweigerung war nie“ dbb Verhandlungsführer Volker Geyer hat das Scheitern der Einkommensrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen am 17. März 2025 in Potsdam kritisiert. Die Arbeitgeberseite hatte nach vier Tagen zäher Verhandlungen die Schlichtung angerufen. Bund und Kommunen haben einen Kompromiss mit viel Verzögerung und destruktiver Energie verhindert. Mit dieser Taktik verärgern und demotivieren die Arbeitgebenden ihre Beschäftigten und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes auf dem Arbeitsmarkt“, so der dbb Vize. Es sei richtig, wenn Bund und Kommunen darauf hinwiesen, dass die Sanierung der maroden Infrastruktur der Bundesrepublik viel Geld kostet. „Aber klar ist doch auch: Die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst sind unverzichtbarer Teil dieser Infrastruktur. Brücken, Straßen, Kitas, Schwimmbäder, Bibliotheken oder Krankenhäuser: nichts funktioniert ohne ausreichend Personal. Ohne faire Bezahlung und attraktive Arbeitsbedingungen wird das aber weder zu gewinnen noch zu halten sein.“ An der von Bund und Kommunen angerufenen Schlichtung werde sich der dbb konstruktiv beteiligen, so Geyer. Allerdings stehen die Schlichter vor einer extrem schwierigen Aufgabe: „Die Vielzahl der aufgetretenen Konflikte zu lösen, ist eine riesige Herausforderung. Zunächst muss aber zwischen den divergierenden Interessen und Positionen innerhalb der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geschlichtet werden. Erst dann hat auch eine Schlichtung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebenden eine reale Chance.“ Zwei Schlichter sollen versuchen, die Tarifpartner zu einem Kompromiss zu bewegen: für die Arbeitgeberseite der ehemalige Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch, und für die Arbeitnehmerseite der Professor für Verwaltungswissenschaften und ehemalige Staatsrat beim Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Henning Lühr. Koch könnte als stimmberechtigter Schlichter am Ende den Ausschlag geben. Nach der Schlichtung wird es eine weitere Verhandlungsrunde geben, in der der Schlichterspruch angenommen, modifiziert oder abgelehnt werden kann. Andreas Hemsing, dbb Vize und stellvertretender Vorsitzender der dbb Bundestarifkommission, sieht in der Schlichtung eine Chance. Er weist aber auch darauf hin, dass ein Arbeitskampf nach der Schlichtung unausweichlich werden könnte, „falls der Schlichterspruch weit weg von unseren Erwartungen ist“. _ Festgefahrene Gespräche: Auch die dritte Verhandlungsrunde brachte keinen Durchbruch. Volker Geyer sprach zum Verhandlungsauftakt zu den Demonstrierenden in Potsdam. © Friedhelm Windmüller (2) AKTUELL 13 vbob Magazin | dbb seiten | April 2025
Warnstreiks und Proteste Starke Auftritte für den öffentlichen Dienst Tausende Mitglieder der dbb Gewerkschaften haben ihren Protest gegen die schleppend verlaufenden Tarifverhandlungen vor der dritten Runde auf die Straßen der Republik getragen. Ob in der Bundesagentur für Arbeit oder in der Kommunalverwaltung – überall fehlt das Personal“, mahnte dbb Verhandlungsführer Volker Geyer am 20. Februar 2025 vor der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg auf einer Kundgebung mit rund 700 Teilnehmenden. „Die Beschäftigten stehen unter enormem Druck und müssen eine stetig wachsende Arbeitslast bewältigen. Die Politik überträgt ihnen ständig neue Aufgaben – ohne Rücksicht auf die Belastungsgrenze. Von den Kolleginnen und Kollegen wird dabei Flexibilität erwartet, doch wenn es um eine faire Bezahlung geht, zeigen sich die Arbeitgebenden maximal unflexibel und flüchten sich in Ausreden. Das hat mit echter Wertschätzung nichts zu tun!“ Betroffen von der Tarifrunde ist auch die Autobahn GmbH des Bundes, denn die dort geltenden Entgelttabellen sind an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) des Bundes gekoppelt. Deshalb demonstrierten Beschäftigte aus den Reihen der VDStra. am 25. Februar 2025 vor der Zentrale der Autobahn GmbH in Berlin. Die dbb Mitgliedsgewerkschaft VDStra. ist die Fachgewerkschaft der Straßen und Verkehrsbeschäftigten. Deren Bundesvorsitzender Hermann Josef Siebigteroth warnte vor weiteren Sparmaßnahmen: „Wir fahren unsere Infrastruktur seit Jahren auf Verschleiß. Es muss endlich investiert werden. Und zwar in beides: Beton und Beschäftigte.“ Personal unter Druck „Wir stehen heute hier mit über 1 000 Beschäftigten und kämpfen für eine faire Bezahlung und einen funktionstüchtigen öffentlichen Dienst“, betonte dbb Vize und Bundesvorsitzender der komba gewerkschaft, Andreas Hemsing, am 25. Februar 2025 auf einer Kundgebung in Bonn. Für das Argument prekärer Finanzen © Friedhelm Windmüller © Friedhelm Windmüller © Roberto Pfeil © Friedhelm Windmüller dbb Verhandlungsführer Volker Geyer am 12. März in Bochum. Volker Geyer am 20. Februar in Nürnberg. Protest zur Karnevalszeit am 25. Februar in Bonn: gerne auch ein bisschen jeck. komba Mitglieder am 25. Februar in Düren. 14 AKTUELL vbob Magazin | dbb seiten | April 2025
der Arbeitgeber hatte er wenig Verständnis: „Den Spruch über die leeren Kassen kennen wir – den hören wir in jeder Tarifrunde. Aber dass sich die Arbeitgebenden nur um die Belastung der Kommunen sorgen, zeigt, dass ihnen die Belastungen ihrer Beschäftigten wohl egal sind.“ Am 26. Februar gingen Beschäftigte in Fulda, München, Müllheim bei Freiburg und in Wuppertal auf die Straße. „Ohne die Beschäftigten ist kein öffentlicher Dienst möglich. Alarmierend ist, dass die Belastung durch die Arbeitsverdichtung zu mehr gesundheitlichen Problemen und einem früheren Rückzug aus dem Arbeitsleben führt. Wer mit leeren Kassen argumentiert, verstärkt das Problem, anstatt es zu lösen“, sagte Heini Schmitt, Landesvorsitzender des dbb Hessen in Fulda. „Es ist offensichtlich, dass beim öffentlichen Dienst angesichts der anstehenden Pensionierungen und des allgemeinen Fachkräftemangels eine enorme Personallücke klafft. Da wird es schwierig, allen Aufgaben gerecht zu werden“, so der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), Rainer Nachtigall. In München hatten sich mehrere Hundert Betroffene versammelt, um vor dem Gebäude des Kommunalen Arbeiterverbands zu demonstrieren. In Müllheim bei Freiburg bestreikten Mitglieder des Verbands der Arbeitnehmer der Bundeswehr (VAB) die Robert SchuhmannKaserne. Thomas Zeth, stellvertretender Bundesvorsitzender des VAB, kritisierte die Verweigerungshaltung der Arbeitgeberseite: „Ständige Mehrarbeit, steigende Lebenshaltungskosten sowie langjährige Lohnzurückhaltung stehen auf dem Konto der Arbeitnehmer.“ Wie ernst die Lage ist, machte Sandra van Heemskerk, Landesvorsitzende der komba gewerkschaft nordrhein westfalen, in Wuppertal deutlich: „In vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes ist es fünf vor zwölf. Die Beschäftigten sind bereits an der Belastungsgrenze und es kommen ständig neue Aufgaben obendrauf.“ Zeitbombe Demografie Bei einer Demonstration am 4. März 2025 in Hannover machten über 1 200 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ihrem Frust über die Haltung der Arbeitgebenden Luft. Die Kundgebung auf dem hannoverischen Kröpcke startete symbolisch um fünf vor zwölf. Damit wollten die Beschäftigten auf ihre prekäre Situation aufmerksam machen, erklärte Alexander Zimbehl, Landesvorsitzender des dbb niedersachsen: „Die Beschäftigten haben große Schwierigkeiten, die immer größer werdende Aufgabenlast zu bewältigen. Gleichzeitig tickt die Uhr des demografischen Wandels: In den nächsten zehn Jahren wird ein Viertel der Beschäftigten altersbedingt aus dem Dienst ausscheiden. Die Politik muss diese Schieflage bestehend aus mehr Arbeit bei weniger Personal unverzüglich beheben.“ © Lucas Pompino © Jan Brenner © Andreas Gebert © Anne Oschatz © Jan Brenner © Kim Laubner Keine Schönwetter-Demonstranten: Protestzug am 26. Februar in Wuppertal. vbob Mitglieder rührten ihre Trommel am 3. März in Berlin vor dem Gebäude des Bundesnachrichtendienstes. Lautstarker Protest am 7. März in Freiburg. In Kiel forderten Beschäftigte am 6. März mehr Wertschätzung für ihre Arbeit. Zusammenhalt und kreativer Protest am 26. Februar in München. Berliner in der VDStra.-Hausfarbe gab es am 25. Februar in Berlin für Beschäftigte der Autobahn GmbH. AKTUELL 15 vbob Magazin | dbb seiten | April 2025
Leistungsstark, aber schlecht bezahlt? Am 6. März 2025 demonstrierten fast 3 000 Beschäftigte in Kiel gegen die Blockadehaltung der Arbeitgebenden. Matthäus Fandrejewski, Bundesvorsitzender der dbb jugend, machte deutlich: „Der öffentliche Dienst darf bei der Berufswahl für Jugendliche nicht zur zweiten Wahl hinter der Privatwirtschaft werden. Wir bieten sinnstiftende und erfüllende Arbeit. Die Arbeitgebenden müssen jetzt dafür sorgen, dass diese Leistung auch entsprechend bezahlt wird.“ Der Landesvorsitzende des dbb schleswig holstein, Kai Tellkamp, forderte: „Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich auf den öffentlichen Dienst verlassen können. Das funktioniert aber nur, wenn sich die Beschäftigten auf Entlastung und faire Einkommen verlassen können.“ Mehrere Hundert Betroffene protestierten am 7. März 2025 in Freiburg und warnten vor den Folgen ausbleibender Investitionen in den öffentlichen Dienst. Der Vorsitzende des BBW, Kai Rosenberger, sagte: „Mit dem demografischen Wandel werden in den Kommunen bis 2035 mehr als 30 Prozent des heutigen Personals aus dem Dienst ausscheiden. Gerade vor Ort, wo es um die alltäglichen Belange der Bürgerinnen und Bürger geht, können wir uns ein Ausbluten des öffentlichen Dienstes aber nicht leisten.“ Vertrauensbruch im Beamtenbereich Kurz vor der dritten Verhandlungsrunde zogen Beschäftigte am 7. März vor das Bundesministerium des Innern in Berlin. Auf der Abschlusskundgebung forderten sie faire Löhne statt leerer Versprechen. Thomas Liebel, Bundesvorsitzender der BDZ Deutsche Zoll und Finanzgewerkschaft, kritisierte Ignoranz und gebrochene Versprechen auf der Arbeitgeberseite: „Viel zu lange wurden Beamtinnen und Beamte von den Dienstherren systematisch schlechtergestellt. Es wurde bis zur Verfassungswidrigkeit gespart und gekürzt. Das ist nicht nur ein Rechtsbruch, sondern auch ein historischer Vertrauensbruch!“ In Nordrhein Westfalen kam es am 12. März 2025 landesweit zu Warnstreiks. 10 000 Beschäftigte nahmen außerdem an einer zentralen Demonstration in Bochum teil. Maik Wagner, dbb Vize und Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS), betonte: „Um die vorhandenen Fachkräfte zu halten und Nachwuchskräfte zu gewinnen, brauchen wir nicht nur höhere Einkommen – ein Volumen von acht Prozent, mindestens 350 Euro mehr –, sondern auch mehr Entlastung durch zusätzliche freie Tage und mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit.“ Für attraktive Arbeitsbedingungen und einen starken öffentlichen Dienst gingen am 13. März rund 1 700 Beschäftigte auf die Straße. „Die Kommunen brauchen dringend eine große Personaloffensive, damit der öffentliche Dienst an Attraktivität gewinnt, durch flexible Arbeitszeitmodelle etwa. Gutes Personal muss gehalten, neues gewonnen und die Zufriedenheit unserer Kolleginnen und Kollegen wiederhergestellt werden“, stellte Adi Abt, Vorsitzender der komba gewerkschaft bayern, klar. _ Mehr Bilder und Infos zur Einkommensrunde unter dbb.de/einkommensrunde Hintergrund © Jan Brenner © Friedhelm Windmüller © Luca Scheuring © Dirk Guldner © Jan Brenner Beschäftigte des Nahverkehrs demonstrierten am 11. März vor der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in Berlin. Beschäftigte zogern am 7. März vor das Bundesministerium des Innern in Berlin. Rasseln und Pfeifen am 12. März in Saarbrücken. Mitglieder der GdS am 13. März in Bad Steben. Rote Karten für die Arbeitgeber am 12. März in Bochum. 16 AKTUELL vbob Magazin | dbb seiten | April 2025
Gewalttaten gegen Polizeikräfte Erschreckend hohe Fallzahlen Die registrierten Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten haben mit 46 218 Fällen im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Das geht aus dem aktuellen Bundeslagebild „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte 2023“ des Bundeskriminalamtes (BKA) von Oktober 2024 hervor. Mit einem Anstieg um 8,0 Prozent gegenüber 2022 handelt es sich demnach um die stärkste Zunahme seit dem Jahr 2017. Insgesamt wurden 105 708 Polizistinnen und Polizisten Opfer einer gegen sie gerichteten Gewalttat. Dies sind 9 500 betroffene Beamtinnen und Beamte mehr als im Jahr zuvor, was einem Anstieg um 9,9 Prozent entspricht. Bei Gewalttaten gegen Rettungs und Feuerwehrkräfte wurden ebenfalls neue Höchststände verzeichnet. Wenn Polizistinnen und Polizisten in Deutschland Gewalt erfahren, handelt es sich laut BKA in den meisten Fällen um Widerstandshandlungen und tätliche Angriffe. Sie machen mit 84,5 Prozent den größten Anteil der Gewalttaten gegen Polizeikräfte aus. Im Vergleich zum Vorjahr sind die entsprechenden Fälle um 8,5 Prozent auf 39 046 Fälle gestiegen (2022: 35 983). Häufig werden Polizeikräfte darüber hinaus bedroht. Hier wurden 3 851 Fälle registriert, was einem Anstieg von 5,9 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor entspricht. Gesunken ist die Zahl der Fälle, bei denen Polizistinnen und Polizisten Opfer von gefährlicher und schwerer Körperverletzung wurden. Die Zahl der registrierten Delikte sank um 13 Prozent auf 1 260 Fälle (2022: 1 449). Insgesamt wurden 40 versuchte Tötungsdelikte erfasst, drei mehr als im Jahr zuvor. Vollendete Tötungsdelikte gab es 2023 nicht – im Gegensatz zum Jahr zuvor, als eine Polizistin und ein Polizist im Landkreis Kusel/Rheinland Pfalz ermordet wurden. Die Zahl der Tatverdächtigen hat um 5,9 Prozent zugenommen, sodass im Jahr 2023 insgesamt 38 630 Tatverdächtige erfasst wurden (2022: 36 495). Während der Anteil der deutschen Tatverdächtigen von 69,9 auf 66,4 Prozent sank, stieg der Anteil der nicht deutschen Tatverdächtigen von 30,1 auf 33,6 Prozent. Die Tatverdächtigen waren meistens männlich (83,6 Prozent) und über 25 Jahre alt (73,0 Prozent). Sie waren in der Regel allein handelnd (95,1 Prozent), oft polizeilich bekannt (75,3 Prozent) und mehr als jeder Zweite stand unter Alkoholeinfluss (50,2 Prozent). Das Bundeslagebild enthält zudem Daten zu Rettungsdienst und Feuerwehrkräften, die im Einsatz von Gewalttaten betroffen waren. Mit 687 Fällen (plus 5,7 Prozent) und 1 069 Opfern (plus 13,7 Prozent) bei der Feuerwehr sowie 2 050 Fällen (plus 6,8 Prozent) und 2 902 Opfern (plus 8,4 Prozent) bei sonstigen Rettungsdiensten wurden im Jahr 2023 ebenfalls Höchststände verzeichnet. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, hatte die Zahlen mit Erschütterung kommentiert: „Wir haben eine Steigerung erwartet. Trotzdem entsetzen rund acht Prozent mehr Gewaltdelikte gegen die Polizei. Hinter jeder Zahl stehen Menschen, die sich für diesen Staat einsetzen und buchstäblich ihren Kopf hinhalten, um Freiheit zu schützen und Sicherheit zu gewährleisten. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen, die zwar immer viele Erklärungen bereithält, wenn es um die Täter geht, aber wenig Empathie für die Opfer aufbringt“, so Wendt nach der Veröffentlichung der Statistik. Von der Politik forderte Wendt moderne Technik für die Polizei und schärfere Gesetze, „damit Gewalttätern die Taten nachgewiesen und sie verurteilt werden können“. Außerdem müsse die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts die Regel und nicht die Ausnahme sein, wenn Täter jünger als 21 Jahre seien, die Strafmündigkeitsgrenze müsse auf zwölf Jahre gesenkt werden. Genauso wichtig seien die zwingende Kombination von Strafverfahren und Ausweisungsbemühungen schon während der Anklage sowie eine schnell handelnde Justiz. _ © Viktor Dukov/Unsplash.com FOKUS 17 vbob Magazin | dbb seiten | April 2025
dbb talk „Man macht sich schon gar nicht mehr bewusst, wie oft man bedroht wird …“ Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind mindestens einmal Opfer von Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlicher Gewalt geworden. Das dbb magazin hat mit vier Betroffenen aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes gesprochen. Astrid Pradella unterrichtet als Lehrerin an einer Realschule in Ostwestfalen Englisch und Sport. Ihre Schule gilt als Brennpunktschule. Pradella steht kurz vor der Pensionierung und verfügt über einen reichen Erfahrungsschatz. Ein Vorfall ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: „Das liegt längere Zeit zurück, als ich Klassenlehrerin einer 5. Klasse war. Damals hatten wir die Regel in der Schule, dass zu spät kommende Kinder, die sonst den Unterricht gestört hätten, selbstständig ins Schulbistro gehen und dort bis zum Ende der laufenden Schulstunde lernen. Das fand der Vater einer Schülerin scheinbar nicht in Ordnung“, erinnert sich die Pädagogin. „Es klopft an der Klassentür und er steht vor mir. Ich bitte ihn, sein Kind ins Bistro zu bringen. Damit ist er nicht einverstanden und versucht, die Kleine in den Klassenraum zu schieben. Beim Versuch, das zu blockieren, geht der Vater auf mich los.“ Pradella konnte gerade noch ausweichen, sonst hätte der hünenhafte Mann sie heftig getroffen. Zwei Kolleginnen im Raum und auf dem Flur waren so erschrocken, dass sie im ersten Moment nicht helfen konnten. „Schockstarre umschreibt es wohl ganz gut. Mithilfe der Schüler haben wir die Tür dann zugesperrt und ich habe erst mal weiter unterrichtet.“ In der Pause meldet Pradella den Vorfall der Schulleitung, die sofort die Polizei hinzuzieht. Der Angreifer bekommt Hausverbot. Pradella selbst bemerkt die Auswirkungen des Vorfalls erst später. „So stark wie ich in diesem Moment war, so schlimm war der Zusammenbruch zu Hause.“ Die Lehrerin war zehn Tage krankgeschrieben und konnte den Angriff dank ihres psychologisch gebildeten Hausarztes verarbeiten. Schulzukunft mit Sicherheitsdienst Grundsätzlich diagnostiziert die Lehrerin, die sich auch im Personalrat engagiert, über die vergangenen 40 Dienstjahre eine zunehmende Verrohung in manchen Teilen der Gesellschaft. „In den 80er Jahren war man als Lehrkraft noch eine Respektsperson. Heute haben wir Schülerinnen und Schüler, deren Eltern ihnen Respektlosigkeit vorleben. Regeln werden nicht eingehalten, Eltern stellen die Notenvergabe infrage. Lehrerinnen und Lehrer stehen damit permanent im Fokus von Spannungen.“ Das hat Pradella auch im Personalrat thematisiert, wo sie Ansprechpartnerin für Gewalt gegen Lehrkräfte ist. Zudem steht sie im Austausch mit dem Regierungsbezirk Detmold und der Landesbildungsministerin. „Daraufhin wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, das Thema ist also präsent.“ Letztlich obliege dem Dienstherrn die Fürsorgepflicht, denn auch, wenn die Schulleitung damals gut reagiert habe, sei der rechtliche Hand © Creativ 94/Unsplash.com 18 FOKUS vbob Magazin | dbb seiten | April 2025
lungsspielraum der Schule gering. Zu gering in Anbetracht der sozialen Brennpunkte, mit denen die Schule zu kämpfen hat. „Nicht zuletzt ist der Raum Bielefeld auch ein Clan Hotspot. Da muss der Regierungsbezirk tätig werden.“ Ob Schule in Deutschland auf amerikanische Verhältnisse mit Sicherheitsschleusen, Videoüberwachung, bewaffnetem Sicherheitspersonal und Schutzwesten für den Lehrkörper zusteuert? „Noch nicht, aber weit weg ist der Gedanke ebenfalls nicht, und das ist traurig.“ Für die Zukunft sieht Astrid Pradella vor allem für große Schulen keine andere Möglichkeit, als zumindest Sicherheitspersonal zu engagieren. Ihre Schule habe die passive Sicherheit erhöht und dafür gesorgt, dass Klassenräume von außen nicht mehr zu öffnen sind, und natürlich gebe es auch einen Amokplan. Für die Zukunft wünscht sich die Pädagogin eine aktivere Gesetzgebung nach dem Vorbild der Schweiz, wo die Schulgesetze angepasst wurden. Die Gesetze seien hierzulande bislang sehr schüler und elternfreundlich, was Lehrkräfte quasi handlungsunfähig macht. „Das muss dringend an die realen Umstände angepasst werden. Es kann nicht sein, dass ein gewalttätiger Schüler lediglich verwarnt wird, während der Lehrer eine Versetzung ‚aus Sicherheitsgründen‘ schlucken muss. Vom Land Nordrhein Westfalen wünsche ich mir mehr Lehrerschutz. Wie gesagt: Der Dienstherr hat die Fürsorgepflicht.“ Symptomatisch sei darüber hinaus, dass viele junge Lehrkräfte nicht mehr verbeamtet werden wollen, um leichter kündigen zu können. „Wenn Referendare vor dir stehen und sagen, dass sie diesen Job nicht ihr Berufsleben lang durchhalten können, wird überdeutlich, wie dringend der Handlungsbedarf ist.“ Fliegende Computer im Jobcenter „Sie blöde Kuh!“ ist harmlos – Beleidigungen gehen oft unter die Gürtellinie. Eine weitere Eskalationsstufe: Leute, die Computer durch die Gegend schmeißen und Schreibtische abräumen. Und der schlimmste Fall: Leute, die Beschäftigte mit dem Messer bedrohen, verletzen oder gar töten. Solche Vorfälle gab es in Jobcentern bereits. 2012 in Neuss. Damals starb eine Frau nach einem Messerangriff. 2020 in Rottweil: Eine Frau wurde schwer verletzt. Und 2022 in Frankfurt am Main: Ein Mann bedrohte zwei Jobcenter Mitarbeiter mit einem Messer. Stephanie Rau arbeitet im Jobcenter Limburg Weilburg. Derartige Fälle sind ihr nicht unbekannt, manches hat sie selbst erlebt, teils war sie als Zeugin dabei. „Man macht sich schon gar nicht mehr bewusst, wie oft man bedroht wird, aber bisher habe ich alles gut weggesteckt und musste mich nicht krankmelden. Das Gespräch im Kollegenkreis hilft, unschöne Erlebnisse zu verarbeiten.“ Das ist allerdings nicht der Regelfall. „Die Fluktuation in den Jobcentern ist höher denn je. Beschäftigte suchen das Weite, nicht selten verlassen sie den öffentlichen Dienst ganz. Das wäre vor 20 Jahren nicht denkbar gewesen.“ Dabei habe es in Jobcentern schon immer Vorfälle gegeben, berichtet Rau. Aber die Häufigkeit hat zugenommen. Ob die Situation in sozialen Brennpunkten schlimmer sei? Nicht zwingend: „Ich war zwei Jahre in Frankfurt Höchst. Man könnte meinen, dass es hier im beschaulichen Limburg Weilburg gesitteter zugeht. So ist es aber nicht.“ Eine entscheidende Rolle spielt aus ihrer Sicht vor allem, in welchem Umfang die Beschäftigten in den Jobcentern auf schwierige Situationen vorbereitet werden. „Deeskalationstrainings und Seminare zu interkultureller Kompetenz sind wertvolle Bausteine.“ Ein weiterer entscheidender Aspekt liegt darin, inwiefern präventive Maßnahmen in den Dienststellen zum Schutz der Beschäftigten getroffen werden, um Eskalationssituationen zu vermeiden. Hier ist aus ihrer Sicht noch viel Luft nach oben. Was passieren muss, um die Situation zu verbessern? Außer für mehr Schulungen für Beschäftigte wirbt Stephanie Rau für mehr Personal. Die Politik müsse verstehen, dass Gewalt im Jobcenter aus enttäuschten Erwartungen resultiert. „Das rechtfertigt natürlich nichts. Aber oft fehlen schlichtweg die Ressourcen, um optimal auf die Menschen einzugehen. Je mehr Erwartungen wir gerade im Hinblick auf die Bearbeitungszeiten erfüllen können, desto geringer die Eskalationsgefahr.“ Ein weiterer Punkt: Die Richtlinien zum Arbeitsschutz seien ihrer Meinung nach oft zu schwammig. „Es muss konkreter werden, weil der Staat dann auch für konkrete Maßnahmen Geld zur Verfügung stellen muss“, unterstreicht Rau. Nicht zuletzt von Bedeutung: „Wenn jemand auffällig wird und Sachen durch die Gegend schmeißt, hat das strafrechtlich in der Regel keine Konsequenzen. Das sorgt bei den Beschäftigten für Unverständnis. Hier muss es mehr Optionen geben.“ Angesichts der Umstände selbst das Handtuch zu werfen, das kommt für Stephanie Rau allerdings nicht infrage. „Dafür mache ich den Job Lehrerinnen und Lehrer stehen permanent im Fokus von Spannungen. Astrid Pradella © Privat FOKUS 19 vbob Magazin | dbb seiten | April 2025
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