triebenen, nicht notwendigen Aufwand erfordert“. Doch der wirkliche Wert liege in der persönlichen Erfahrung, etwas Irrationales, Überflüssiges zu tun, der Wert – und nicht in einem nach Prestigegewinn, mit dem das Umfeld beeindruckt werden soll. Sich, wie schon gesagt, Zeit für sich selbst zu nehmen, „aus den Zwängen der Zweckmäßigkeit auszubrechen und sich dem konventionellen Effizienzgedanken zu verweigern“, erläutert der Philosoph seine Auffassung von Luxus. Ein aktuelles Beispiel dafür wären die Liebhaber*innen von Schallplatten. Obwohl sich Musik heute günstiger, schneller und raumsparender beziehen lässt, erleben die Vinyl-Scheiben derzeit eine Renaissance. Wichtig ist für Wiesing auch die Differenzierung „zwischen Protz, also der nach außen gerichteten Zurschaustellung eines teuren Lebensstils, und Luxus als nach innen gerichtete Erfahrung“. Für ihn ist Luxus folglich keine materielle Kategorie. Apropos Protz: Haben wir nicht alle über das Filetsteak mit Blattgold gelästert, das sich ein Fußballstar am Persischen Golf servieren ließ. Die Mondpreise für ein 500 qm-Appartement an der 5th Avenue in Manhattan sind ebenfalls erwähnenswert. Der Bau einer Rheinbrücke kostet vermutlich nicht viel mehr. Wer das Geld hat und korrekt Steuern zahlt, soll es in einer freien Gesellschaft nach eigenem Gusto verpulvern können. Bei aller Kritik – Unterhaltungswert haben solche Nachrichten auf jeden Fall. GENUSS FÜR AUGEN UND GAUMEN Auf jeden Fall geht es bei Luxus um Freude am Leben, um den Wunsch nach etwas Besonderem. Der bewegt in diesen schwierigen Tagen immer mehr Menschen. Corona ist nicht ausgestanden, es droht eine neue Welle. Putins Krieg mit seinen schockierenden Bildern, das Schicksal der Menschen in der Ukraine und der Geflüchteten trifft alle ins Mark. Preise gehen durch die Decke. Ein großes Fragezeichen steht hinter den Gaslieferungen, von denen Deutschland abhängig ist. Das Klima spielt verrückt. Eine fatale Gemengelage, mit vielen Unbekannten. Da mutet es schon fast wie ein Wunder an, dass sich viele Menschen in unserem Land nach zwei Jahren der weitgehenden Entsagung endlich wieder mehr gönnen möchten. Dies geht aus einer repräsentativen Studie des Debitkarten-Anbieters Legatus hervor, für die das Meinungsforschungsinstitut Consumerfieldwork im Mai 1.008 Menschen befragt hat. Obwohl sich die Bundesbürger*innen der Legatus-Umfrage zufolge etwas einschränken wollen, sind Luxusgüter nach wie vor gefragt. Während 38 Prozent der Teilnehmenden mit Blick auf Pandemie und schlechte Weltlage erklären, sparsamer haushalten zu wollen, möchten sich 62 Prozent dennoch wieder mehr Luxus erlauben. Auf Platz drei stehen Ausgaben für Interior, Design und Einrichtungsgegenstände. „Ob Genuss für den Gaumen oder die Augen: Die Zustimmungswerte liegen für luxuriöse Erfahrungen aktuell höher als für typische Marken- oder Prestigeprodukte“, sagt dazu Thomas Reichert von Legatus. Während sich im Mittelfeld der Luxuswünsche Themen wie Wellness und Beauty, Konzerte, Fashion, Lifestyle und Technik finden, rangieren Autos derzeit an letzter Stelle. Ähnliche Wünsche hegt auch die jüngere Generation. In der Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren liegt dabei das sinnliche Erlebnis weit vorn: Reisen ist angesagt. Wie heute üblich, haben auch die jüngeren schon eine Bucketliste mit Sehnsuchtsorten angelegt. WO DER LUXUS ZUHAUSE IST Das Verständnis von Luxus zeigt sich auch in den Städten, die mit Fashion und Beauty, mit Düften insbesondere, eng verbunden sind: Paris ist seit Jahrzehnten unbestritten die Hauptstadt des Luxus, was die feine Lebensart angeht – eine der wichtigsten Inspirationsquellen auch für Parfümeure. Wer dem Quell vieler betörender Düfte nachforscht, wird schnell fündig. Direkt an den quirligen Champs-Élysées liegt Guerlain, eines der ältesten Parfümhäuser der Welt, gegründet im 19. Jahrhundert. Über 300 erfolgreiche Parfüms wurden hier entwickelt. Das Lafayette am Boulevard Haussmann bietet die edelsten Marken der Welt. Und gar nicht weit vom Ritz am Place Vendome im feinen 1. Arrondissement liegen die weltbekannten Stammhäuser von Coco Chanel, Yves St. Laurent und vielen anderen. Was Luxus angeht, ist New York ein Nirvana, auch für die „Nasen“ der Welt. Saks, Bergdorf Goodman, früher auch der Trump Tower, und natürlich Tiffany, der berühmteste aller Juweliere, liegen allesamt an der 5th Avenue in Manhattan. Alles, was gut und teuer ist, findet sich an dieser Straße. Generell tickte der Luxus hier schon immer anders. Man zeigt, was man hat. Neid ist kein Thema. Inzwischen verlagert sich das Geschehen aber vermehrt in das One World Trade Center 24 PROFILE GOLD EDITION 2022 szene TRENDS Foto: Valentin B. Kremer/Unsplash
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==