Profile 3-2024

fümerien. Manch ein Händler postiert inzwischen gar Security vor dem Geschäft, um dem Ansturm Herr zu werden. Wir sehen hier tatsächlich Massen an neuen Konsument:innen. Maike Kiessling: Junge Menschen lieben unsere Produkte. Es erstaunt mich immer wieder, wie sie mit unseren Produkten umgehen. Bei einer Marke wie Tom Ford probieren sie beispielsweise einfach mal ein eigenes, indivduelles Duft-Layering aus ... Das alles ist sehr inspirierend, auch für uns als Creator. Frank Haensel: Die große Herausforderung für die Parfümerie ist aus meiner Sicht aktuell, die Kund:innen, die bereits da sind, zu halten und gleichzeitig neue Kund:innen zu gewinnen, die man noch nicht hat. Wer Kund:innen halten und will, muss die Marke zum Erlebnis machen. Wie gelingt das heute, welche Rezepte gibt es? Bastian Siebers: Kund:innen sind nicht nur Käufer:innen – oder besser gesagt: Sie sind mehr als das. Wir wollen unsere Kund:innen begleiten und langfristige Beziehungen aufbauen. Deshalb bezeichne ich unseren Ansatz des Internethandels auch nicht als e-Commerce, sondern als we-commerce. Dabei stellen wir fest, dass die Menschen auf unseren Shoppingplattformen heute informiert und unterhalten werden wollen: Education und Entertainment werden immer wichtiger. Ein weiterer Hebel ist die Convenience, der Komfort. Ich muss es den Kund:innen einfach machen, etwas bei uns zu kaufen. Unser Motto heißt deshalb: „Beauty in your pocket“. 90 Prozent unserer fast vier Millionen Kund:innen kaufen über das Smartphone bzw. in unserer App. Ich denke, das sind Faktoren, die alle auch für den stationären Handel relevant sind. Wie stark ist denn bei Ihnen der Wettbewerb zum stationären Handel ausgeprägt? Bastian Siebers: Jeder Kunde entscheidet individuell, wo er einkauft. Kund:innen, die einen Duft anfassen, also ihn riechen wollen, die bekomme ich im Internet nicht. Die gehen in die Parfümerie. Im Wettbewerb stehen wir also nicht dem stationären Handel, sondern mit anderen Internethändlern. Von denen müssen wir uns absetzen. Ich denke, dass die Parfümerie und das Internet sogar eher voneinander profitieren. Wie sieht das bei den Parfümerien aus? Frank Haensel: Die DNA unserer beauty alliance ist ganz klar stationär. Wir versuchen unsere Gesellschafter, die Parfümerien, natürlich auch für neue Kanäle zu begeistern. Von unseren 165 Gesellschaftern betreiben allerdings derzeit nur 44 einen eigenen Shop im Internet und verkaufen auch online. Die anderen kommen auch ohne den Online-Vertriebskanal zurecht. Gleichwohl ist es unser Anspruch, an einem Strang zu ziehen, auch was die Vertriebswege angeht. Wir wollen unseren Gesellschaftern hier, wie bei allen anderen Belangen, unter die Arme zu greifen, damit sie sich auf auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können: die Beratung ihrer Kund:innen. Ist die Industrie ein guter Händler? Maike Kiessling: Estée Lauder Companies ist ein Kosmetikunternehmen. Man muss sich fokussieren. Eigene Retailgeschäfte sind nur ein kleiner Teil unseres Business. Natürlich sind wir mit unseren Brands offline und online unterwegs. Die Herausforderung ist: Mit welcher Marke gehen wir wohin? Die Geschäftsmodelle sind da schon sehr unterschiedlich – je nachdem, wie wir glauben, die Kunden am besten erreichen zu können. Der Kosmetikmarkt wird immer schnelllebiger. Das fordert die Parfümerie ... Mattias Mussler: In der Tat werden die Produktzyklen immer kürzer: Zuletzt lagen sie bei sechs Monaten, was schon wenig war. Aber aktuell sind es zwei Monate. Da kann ich schon verstehen, wenn sich die Parfümerie fragt: „Wie viel Zeit bleibt mir heute noch eine Marke aufzubauen?“ Mit rocket.beauty geben Sie aber für die Nobilis Group derzeit Vollgas, was die Akquisition neuer Produkte im Luxury-Niche-Bereich angeht ... Mattias Mussler: ... Vollgas ja, aber nicht in dem Sinn, dass wir jeden Tag eine neue Marke lancieren werden. Wir wollen mit neuen Partnern langfristig Maike Kiessling, General Manager DACH, Estée Lauder Frank Haensel, Geschäftsführer beauty alliance 15 PROFILE 3/2024

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==